carls zukunft der woche

Michael Carl

Wir bringen die Zukunft ins Gespräch. Inspirierend, überraschend, anregend, belebend. Jede Woche hat Zukunftsforscher Michael Carl bemerkenswerte Menschen zu Gast: Expert:innen, Innovator:innen, Gründer:innen, die alle ein Stück unserer Zukunft prägen. So entsteht Stück für Stück ein lebendiges Bild einer wahrscheinlichen und attraktiven Zukunft. Mehr über Zukunft, Michael Carl und unser Institut auf https://carls-zukunft.de read less

#158 Andreas Kambach – Digitales Lernen der Zukunft
2d ago
#158 Andreas Kambach – Digitales Lernen der Zukunft
Wer seine Lehre erfolgreich beendet, hat ausgelernt, für ein ganzes Berufsleben. Wer 80 Folien Schulungsmaterial erfolgreich durchgeklickt und die Lösungen aus der WhatsApp-Gruppe mit den Kolleg:innen abgeschrieben hat, bekommt ein Zertifikat. Wer für die Klausur nur die halbe Zeit braucht, langweilt sich; wer mehr Zeit braucht, fällt durch. Allem Aufwand, Kosten, Bürokratie und Regelwerken zum Trotz: Es stimmt nicht mit der Bildung. Lernen ist ein Totalausfall. Was war noch einmal die eine Schlüsselkompetenz für die Arbeitswelt der Zukunft?Andreas Kambach sagt: Das alles ist noch schlimmer, weil wir längst über Alternativen verfügen. Er bietet mit Area9 Lyceum eine digitale Plattform, die aus der Gießkanne für alle personalisiertes Lernen macht, aus dem Abarbeiten von Inhalten abgesicherte Lernprozesse und aus einem Tempo für alle messbare Erfolge für jede:n Einzelne:n. Hier beginnt digitales Lernen in Unternehmen und Organisationen wie auch in Schulen. Es geht um die Algorithmen, nicht um die iPads. Warum machen wir das dann nicht? Warum genau? Weil wir mit einer hundertjährigen Tradition an Schulen brechen müssten? Weil wir es so gelernt haben, dass alle dasselbe Onboarding bekommen, egal ob frisch von der Uni oder mit Jahrzehnten an Berufserfahrung. Weil es so schön vertraut ist, noch ein weiteres Kommunikationsseminar im Nachwuchsführungskräftetraining zu absolvieren. Dabei hätte uns schon das Wortungetüm „Nachwuchsführungskräftetraining“ misstrauisch machen können … Andreas ist klar: Bildung und Lernen müssen und werden sich verändern. Die Zeit von Standard und „one size fits all“ ist definitiv vorbei - weil wir es messbar besser machen können. Die Bücher, die Andreas empfohlen hat, sind diese:Charles Fadel: Die vier Dimensionen der Bildung: Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssenAngela Duckworth: GRIT - Die neue Formel zum Erfolg: Mit Begeisterung und Ausdauer ans ZielZu Gast: Andreas Kambach, Geschäftsführer der Area9 Lyceum GmbH
#157 Barbara Blaha – Die Folge für die Reichen und Schönen
Jun 1 2023
#157 Barbara Blaha – Die Folge für die Reichen und Schönen
Sprechen wir doch endlich einmal über Geld. Genauer: Über das Geld, das die einen im Überfluss haben und die anderen eben nicht. Es gibt in Mitteleuropa einen einfachen Weg, sehr reich zu werden, und das ist: Erben. Und diejenigen, die so den Reichtum kaum oder unversteuert in der Familie halten, haben zugleich die Regel erfunden, dass man über Geld nicht sprechen soll. Sehr praktisch. Wir wissen nicht einmal, wer im Land wie reich ist. Nur bei den Armen, da suchen wir genau und werden schon bei einer zweiten Zahnbürste im Bad misstrauisch. Barbara Blaha, Kopf des Wiener Think Tanks Momentum, beschäftigt sich seit Jahren mit der Schere zwischen Arm und Reich. Sie sagt: Die ungleiche Verteilung von Wohlstand in der Gesellschaft ist inzwischen ein Problem für die Demokratie. Die veröffentlichte Meinung ist stark geprägt von wenigen sehr reichen Familien, die im Besitz der traditionellen Medienhäuser und Zeitungsverlage sind. Eine Untersuchung des Momentum Instituts hat gezeigt: Während sich die Bevölkerung Österreichs über Jahre deutlich für eine Vermögenssteuer ausgesprochen hat, argumentiert im selben Zeitraum die große Mehrheit der Meinungsstücke in Zeitungen dagegen. Zufall?Zugleich sind wir nicht besonders gut darin, uns wirklich große Vermögen vorzustellen. Ein kleines Gedankenexperiment: Wer täglich (!) eine Million geschenkt bekommt und behalten kann, der hat erst nach knapp 30 Jahren (!) ein Vermögen von zehn Milliarden aufgebaut. Mit eigener Arbeit geht das nicht. Entsprechend sind wir auch nicht gut darin, die eigenen finanziellen Verhältnisse einzuschätzen. Arme schätzen sich reicher als sie sind; Reiche genau umgekehrt. Ein idealer Nährboden, um breite Angst vor Vermögens- und Erbschaftssteuer zu schaffen. Barbara sagt: Wir brauchen das dringend. Und niemand muss um Omas kleines Häuschen oder seine erste Million fürchten. Was Barbara schlaflose Nächte bereitet, ist der kaum verhohlene Versuch, konservativer Politiker, die westlichen Demokratien zu illiberalen Demokratien umzubauen. In Österreich ist Sebastian Kurz nur durch Zufall daran gescheitert. in Deutschland sieht sie vergleichbare Bestrebungen. Und es sind gerade die Parteien in der Mitte des Spektrums, die ihr hier Angst machen. Dass die Rechten kein Interesse an demokratischer Tradition haben, kann nicht überraschen. Aber wenn der Diskurs aus der Mitte der Gesellschaft heraus, nach rechts verschoben wird, dann muss uns das Sorgen bereiten, sagt Barbara. Dann verteidigt eine privilegierte Gruppe ihre komfortable Situation auf Kosten der Demokratie. Dennoch schaut Barbara positiv nach vorn. Wie auch anders? Wir sind zum Optimismus verdammt. Also lassen wir die Hemdsärmel oben und machen uns an die Arbeit. Zu Gast: Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Institut und des Momentum Kongress, Universitätsrätin der Universität Wien und Mitgründerin des Wiener Balls der Wissenschaften.
#156 Klaus Wagenbauer – Nano-Roboter, die Krebszellen jagen
May 25 2023
#156 Klaus Wagenbauer – Nano-Roboter, die Krebszellen jagen
DNA-Origami, ein Bastelspaß der besonderen Art: Klaus Wagenbauer und sein Team von Plectonic Biotech sind in der Lage, DNA so zu falten, dass ein Nano-Roboter entsteht. Einmal in der Blutbahn unterwegs, findet er Krebszellen und verknüpft sie mit Immunzellen und sieht dem Krebs beim Sterben zu. Die Grundlagen dazu hat das Team an der TU München erforscht, das Startup wird in Kürze von SPRIN-D gefördert, der Bundesagentur für Sprunginnovationen.Zeigt her eure Venen: Wer würde sich Nano-Roboter spritzen lassen? Wer bei Corona-Impfungen schon Angst vor Genschäden hatte, bekommt hier ein ganz neues Level freigespielt. Dabei ist DNA letztlich auch nur eine Schrift, eine Möglichkeit, Informationen im Körper zu lesen und Botschaften zu überbringen, in diesem Fall: Das da, liebe Immunzelle, ist Krebs, mach deine Arbeit!Die besondere Fähigkeit der Roboter, an denen Plectonic arbeitet, ist die Identifikation der Krebszellen. Wo Chemotherapie heute eher wie eine Gießkanne wirkt, sollen die Nano-Roboter Präzision ermöglichen. Das ist bei ihrer Miniatur-Größe auch nötig: Ein Tausendstel eines menschlichen Haares sind die DNA-Konstruktionen groß. Selbst geschützt gegen die menschliche Immunabwehr und doch in der Lage, an wuchernden Krebszellen anzudocken.Noch stehen die klinischen Phasen aus, Klaus ist aber überzeugt: Mit DNA-Origami haben wir einen Weg gefunden, Krebs zu heilen. Wird uns das näher an ein unendliches Leben führen? Der Physiker Klaus fragt nüchtern: Wollen wir das? Lieber erst einmal das gegenwärtige Leid von Krebspatienten verringern.Zu Gast: Klaus Wagenbauer, Physiker und Co-Founder Plectonic Biotech
#155 Martin Wittau – Alle können Circular, nur die Economy nicht
May 18 2023
#155 Martin Wittau – Alle können Circular, nur die Economy nicht
Die Natur kann Kreislaufwirtschaft - und kaum etwas anderes. Wohin wir schauen: Ein vermeintliches Ende ist stets der Anfang von etwas Neuem. Nur wir Menschen sind spätestens mit Ende der Industrialisierung auf lineares Denken, Arbeiten und Wirtschaften ausgerichtet. Quelle von Wohlstand und Entwicklung in der ersten Welt, ebenso wie der Klimakrise und weiterer Phänomene. Die Folge vom diesjährigen Future Camp unseres Instituts, erkennbar am Gezwitscher portugiesischer Mauersegler im Hintergrund. Mit einer Runde von Zukunftsforscher:innen und Expertinnen ziehen wir uns für die Woche in die portugiesischen Berge zurück und diskutieren ein zentrales Zukunftsthema. In diesem Jahr: Die Kreislaufwirtschaft. Mit dabei: Martin Wittau von der Bundesvereinigung Nachhaltigkeit. Im Gespräch mit Michael zeichnen sie das Zukunftsbild Circular Economy. Erste Erkenntnis: Der Begriff ist denkbar unklar. Mehr als Recycling, klar. Aber dann? Geht es um Ressourcenknappheit und deren Überwindung - also ein „Weiter so“ mit anderen Mitteln? Oder haben wir unsere planetaren Grenzen erreicht und brauchen eine grundlegendes Modell für Wirtschaft. In der Diskussion wurde schnell klar: Kreislaufwirtschaft taugt nicht als Begriff für Prozesse oder Technologien, Kreislaufwirtschaft beschreibt ein Verhalten wirtschaftlicher Akteure: kooperativ, partizipativ, vorsorgend. Der veränderte Umgang mit Material folgt diesen veränderten Verhalten. Zentral ist die Frage der Verantwortung für Material. Wie verhält sich ein Wirtschaftsunternehmen, dass die Versorgung aus den gängigen Quellen nicht mehr selbstverständlich gegeben ist? Warum stehen Verbraucher allein mit der Frage, wie Materialien in die Kreisläufe geleitet werden können, wenn die Waschmaschine es eines Tages nicht mehr tut? Es ist ein Kipp-Punkt hin zur Kreislaufwirtschaft. Sobald es günstiger und verlässlicher ist, Stahl aus Gebrauchtwagen zu gewinnen als aus Eisenerz, werden Automobilkonzerne großes Interesse entwickeln, Gebrauchtwagenaufkäufer zu werden und Recyclingkompetenzen aufzubauen. Die klare Prognose: Kreislaufwirtschaft kommt. Begonnen hat sie schon. Sie verbreitet sich immer dort, wo mehrere Akteure sich entscheiden, ihr Verhalten zu verändern. Spätestens zur Mitte des Jahrhunderts, so die Prognose des Future Camps 2023, wird Circular Economy zum Standard wirtschaftlichen Handelns. Und wer als Wirtschaft dann noch nicht zirkulär handeln kann, wird sich schwer tun. Zu Gast: Martin Wittau, Vizepräsident Bundesvereinigung Nachhaltigkeit e.V.
#154 Lasse Rheingans – 4 Tage Arbeit ist auch genug
May 11 2023
#154 Lasse Rheingans – 4 Tage Arbeit ist auch genug
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wer hier nach kurzen Tagen schreit, hat offenbar noch Kapazitäten. Und ganz ehrlich: Wenn ich meine Leute nicht antreibe, dann kommen die nie auf Touren. So oder ähnlich klingen die Kündigungsgründe von der Stange. Und die Kulturen, die zu Burnouts führen. Lasse Rheingans kann die alle mitsprechen. Er hat seine nach ihm benannte Agentur schon vor Jahren auf den 5-Stunden-Arbeitstag umgestellt und sagt: Das kann man sinnvoll machen oder nicht. Richtig gemacht, bleibt die Produktivität hoch und es geht alles besser. Wenn die Menschen ihren psychologischen Rucksack nicht so voll packen, können sie auch auf der Arbeit mehr Werte schaffen.Der Wandel kommt und er kommt schnell. Spätestens durch den Wettbewerb. In den kommenden Jahren geht in Deutschland fast ein Viertel der Menschen, die heute arbeiten, vom Markt. Hoffentlich kommen die Roboter und intelligenten Algorithmen und nehmen uns möglichst viel Arbeit weg. Dennoch: Wer keinen Raum für den Menschen schafft, wird als Unternehmen den Kürzeren ziehen. Natürlich hat Arbeit Rahmenbedingungen, Unternehmen zielen auf Gewinn. Das ist ohnehin unstreitig. Aber wie wir dahin kommen, das ist eine Aushandlungssache. Genau dort kann Digitalisierung helfen. Welche Prozesse, die ohnehin niemand ausführen möchte, können wir mit KI automatisieren und uns selbst um Aufgaben kümmern, die besser, spannender sind? So können wir offen diskutieren, wie wir Arbeit besser machen. Wir schaffen die Dinge, die wir machen müssen, aber es ist angenehmer und es überfordert die Menschen nicht. Die zentrale Kompetenz, die Organisationen hierfür entwickeln müssen, ist das echte, tiefe Lernen. Was ist Agilität? Die Fähigkeit zu schnellerem Lernen. Was ist eine gute Fehlerkultur? Die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen. Wie entsteht eine Lernkultur? Sie wurzelt in Beziehungen. Die zu entwickeln, ist die Führungsaufgabe heute. Denn wir haben keine mehr, langsamer zu lernen. Das ganze Bild der Arbeit ist im Wandel. Das Soll-Bild ist nicht mehr der maschinengleiche Mensch, der von ganz früh bis ganz spät in einer Tour funktioniert. Auch Ruhe wird zum Soll-Zustand des Menschen in der Arbeit - und das ist das Ende der Gleichsetzung Mensch und Maschine. Lasse sagt: Wir müssen uns wirklich davon verabschieden, dass wir Menschen wie Maschinen in einen Takt drücken. Arbeit, die wir heute brauchen, setzt kreatives vernetztes Denken voraus, quasi Expertise mit Gefühl. Das können Maschinen nicht. Und wenn wir einmal dort sind, passieren auf einmal magische Dinge. Zu Gast: Lasse Rheingans, Unternehmer und Autor. Seine Agentur Rheingans hat schon 2017 den 5-Stunden-Tag als Vollzeitmodell eingeführt.
#153 Norbert Hegmann & Thorsten Bausch – Gib mir meinen Supermarkt!
May 4 2023
#153 Norbert Hegmann & Thorsten Bausch – Gib mir meinen Supermarkt!
Da steht eine „Tante Enso“-Filiale im Dorf. Ein vollwertiger, scheinbar ganz normaler Supermarkt. Die erste Besonderheit: Er ist da. Wo „Tante Enso“ hingeht, haben sich alle anderen Lebensmittelgeschäfte längst zurückgezogen. Und alle anderen Geschäfte meist auch. Orte zwischen 1.000 und 3.000 Menschen. Zweite Besonderheit: Nach dem klassischen Ladenschluss kaufe ich halt digital ein. Vor Ort im Markt. Dritte und wahrscheinlich wichtigste Besonderheit: Der Markt folgt meinen Wünschen. Auf allen Ebenen. Und genau dafür wurde er erdacht und gebaut. Entwickelt haben das Prinzip „Tante Enso“ Norbert Hegmann und Thorsten Bausch. Sie leiten myEnso und sind im Podcast zu Gast.Warum können Norbert, Thorsten & Team das, woran alle anderen großen Lebensmittelketten scheitern? Sie sagen: Weil wir nicht aus der Branche sind – und weil wir konsequent den Menschen in den Mittelpunkt stellen. myEnso macht keine Marktforschung, um neue Kampagnen zu entwickeln. myEnsos Alltag ist im Grunde laufende Marktforschung. Eine permanente Feedbackschleife – mit „Wünsch Dir was!“-Button digital und analog im Laden. Passend dazu ist die Genossenschaftsstruktur. Wer „Tante Enso“ mag, kann nicht nur hier kaufen, sondern sich zum Teil machen und Gesellschafter werden. Angst vor Nachahmung haben Thorsten und Norbert kaum. Das, was im Grunde nicht kopierbar ist, ist die Haltung, mit der das Unternehmen seine Kette aufbaut. Und selbst wenn jemand käme, um dasselbe Prinzip im Bekleidungshandel oder anderen Branchen anzuwenden, würde es ja nur größer. Für die ersten 20 Märkte haben sie noch mehrere Jahre gebraucht. Weitere 40+ sind in der Pipeline und werden aktuell vorbereitet. In wenigen Jahren wollen sie 1.000 „Tante Enso“ in Deutschland stehen haben und die Marke als die vertrauenswürdigste in Deutschland etablieren. Im Grunde, so Thorsten und Norbert, sei doch ihr Ansatz der normale und naheliegende. Das zu etablieren und groß zu machen, dafür treten sie an. Das ist ihr „Next Big Thing“. Und dass sie das in die Welt bringen wollen, das haben sie bei der Gründung unterschrieben.Zu Gast: Norbert Hegmann & Thorsten Bausch, Gründer und Geschäftsführer von myEnso
#152 Raphael Fellmer – Morgens, mittags, abends Steak?
Apr 27 2023
#152 Raphael Fellmer – Morgens, mittags, abends Steak?
Die Verschwendung von Lebensmitteln ist enorm. Die Hälfte aller Lebensmittel, die wir hier produzieren und importieren, wird nicht gegessen: Nicht geerntet, verdorben oder einfach entsorgt. Wer sich das bildlich vorstellen will: Ein LKW voller bester Lebensmittel, die wir wegwerfen – in jeder Minute. Raphael Fellmer ist Gründer und CEO des Berliner Impakt Startups SIRPLUS und nimmt sich dieses Themas an. SIRPLUS übernimmt Lebensmittel, die auf klassischen Wegen nicht mehr verkauft werden. Nicht normgerecht, nicht mehr lange genug haltbar oder einfach übrig geblieben. SIRPLUS bringt diese Lebensmittel wieder in den Kreislauf und versendet sie im eigenen Online-Shop. Aber warum verschwenden wir so viel Essen? Ein Faktor, sagt Raphael, ist der Preis. Lebensmittel sind im Vergleich in Deutschland sehr günstig. Viel günstiger als noch vor wenigen Jahrzehnten. Günstiger als zum Beispiel in Polen. Da werfen wir doch unbesorgt weg. Und kaufen ein neues Huhn, im Ganzen tiefgefroren, für gerade einmal vier Euro. Das kann nicht die Zukunft von Ernährung sein, so Raphael. Das ist kein angemessener Preis für ein ganzes Tier. Die wirklichen Kosten bildet es auch nicht ab, Stichwort Klima. Essen muss – und darf – deutlich teurer werden. Ein steigender CO2-Preis wird uns helfen, den Umgang mit Essen zu verändern. Die Krümmung von Gurken ist es jedenfalls nicht, was die Kund:innen davon abhält, die Verschwendung zu reduzieren. Raphael sagt: „Wir müssen zu dem Kreislauf kommen, in dem wir das, was wir produzieren, effektiv nutzen und uns in unserer Ernährung möglichst pflanzlich einstellen.“Die Zukunft des Handels von Lebensmittel wird online und digital sein. Sie muss dazu möglichst regional werden; das ist sie heute, auch bei SIRPLUS, nicht genug. Richtig aufgestellt, ist der Online-Handel auch nachhaltiger als die Versorgung über klassische Supermärkte auf der grünen Wiese vor der Stadt. Spätestens auf der Heimfahrt im SUV reißen wir die Klimabilanz traditioneller Lebensmittel. Zu Gast: Raphael Fellmer, Gründer und CEO des Food-Startups SIRPLUS
#151 Sawsan Chebli – Digitaler Hass verletzt und tötet
Apr 20 2023
#151 Sawsan Chebli – Digitaler Hass verletzt und tötet
Wir erleben eine humanitäre Krise und stehen mitten drin, vielfach ohne es zu realisieren. Diese humanitäre Kreise heißt: Digitaler Hass. Beleidigungen, Diffamierung, Belästigungen, Bedrohungen. Die Täter sind meist männlich. Dabei ist der Hater Täter und Spielfigur zugleich. Rechte Kräfte haben längst den Hass als Mittel identifiziert, um die Demokratie zu unterwandern und zu spalten. Und die großen Plattformen freuen sich über Emotion und Aufregung; das Geschäftsmodell läuft blendend. Sawsan Chebli ist Politikerin und Autorin. Unfreiwillig prominent durch das Maß an Hass, das sie online erlebt. Freiwillig prominent, weil sie sich offen dagegen zur Wehr setzt. Sie sagt: Viele Menschen sind noch zu weit weg von diesem Thema und können sich nicht vorstellen, was es bedeutet, jeden Tag dem Hass ausgesetzt zu sein. Sie zeigen Mitleid und gehen weiter. Das reicht nicht.Eine lautstarke Kritik von Sawsan: Viel zu oft wird Hass und Hetze im Internet als ein Nischenthema behandelt. Als wäre es ein Thema für Experten, die sich dessen in ihrer Nische annehmen müssten. Ein trügerischer Irrtum. Sawsan betont: Das geht alle in der Gesellschaft an. Hass verletzt und tötet, ob analog oder online.Wer sich zeigt, wer laut und sichtbar ist, setzt sich Hass und Hetze aus. Wer dann auch noch weiblich, migrantisch, feministisch, muslimisch ist, um so mehr. Die Konsequenz: Tatsächlich ziehen viele sich aus der Öffentlichkeit zurück Oder suchen sie gar nicht erst. Sawsan sagt: Das berührt den Kern unserer Demokratie. Wenn immer mehr Kräfte erkennen, wieviel Entfaltungsmöglichkeiten sie hier haben und wie stark sie die Gesellschaft destabilisieren können, dann sehe ich schwarz. Das ist die Dimension von Hass und Hetze online.Sawsan beschreibt die Lage ganz nüchtern. Ihre Inbox ist jeden Tag voll. Von zehn Mails ist eine positiv, zwei konstruktiv-kritisch - und der Rest beleidigend oder schlimmer. Wie bleibt man in einem solchen Dauerfeuer nüchtern und positiv? Sawsans drei Sätze sind: Die meinen nicht mich, sondern die Werte, für die ich stehe. Ein gutes Netzwerk gibt mir Halt. Positive Zuschriften sind so viel wertvoller.Zu Gast: Sawsan Chebli, Politikerin und Autorin. Buch: LAUT – Warum Hate Speech echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können.
#150 Heike Specht – Zu erschöpft für die Wut
Apr 13 2023
#150 Heike Specht – Zu erschöpft für die Wut
Wie wird das Urteil späterer Historiker:innen über die 20er Jahre ausfallen? Ein Jahrzehnt des Aufbruchs oder eines der Resignation? Ein Jahrzehnt, in dem die Menschen in Mitteleuropa endlich ihre Komfortzone verlassen haben? Oder doch die Zeit des großes Roll-Backs vieler Errungenschaften, an dessen Ende die alten weißen Männer die Gestaltungsmacht wieder vollständig in der Hand haben? Heike Specht ist Historikerin und Autorin. Ihr Bild ist ernst, aber fast trotzig positiv. Die Fakten sind soweit bekannt: Wir stapeln Krise auf Krise. Jüngere Generationen haben längst gemerkt, dass wir uns erheblich bewegen müssen. Viele Ältere reagieren mit Angst, die sie ohnehin haben – oder die von denen leicht zu schüren ist, die in der alten Welt am meisten profitieren. Im Ergebnis reißt das Internet ab, wenn Heike aus ihrer Wahlheimat Schweiz mit dem Zug nach Deutschland fährt. Ganztagsschulen? Tempolimit? Digitale Verwaltung? Schon der Blick aus dem Nachbarland wirft rätselnde Fragen auf: Was ist hier alles nicht passiert? Und warum?Warum ist der Aufschrei nicht lauter? Warum stampfen Frauen nicht mit beiden Füßen auf, wenn ihre Teilhabe an der Gesellschaft immer weiter in Frage gestellt wird? Was kommt dabei heraus, wenn wir wirklich aufarbeiten, was unsere Gesellschaft in der Pandemie Kindern und Jugendlichen zugemutet hat – und warum wir glaubten, damit durchzukommen? Wir sehen, wie es gerade Frauen sind, die sich um Kinder im Homeschooling und den Haushalt kümmern – im Unterschied zu den 70ern nebenbei allerdings noch Vollzeit in Zoom-Konferenzen arbeiten. Der Mann geht derweil wieder ins Office und schachert beim Bier nach Feierabend um den nächsten Karriereschritt. Warum kein Protest? Warum keine Wut? Heike diagnostiziert: Wandel ist anstrengend. Organisation ist anstrengend. Widerstand ist anstrengend. Und Erschöpfung rules.Jede:r Therapeut:in würde unserer Gesellschaft wohl zugestehen: Wer Wandel erlebt, braucht Zeit, um die Narben zu integrieren. Aber reicht das als Grund? Reicht das, auf die eigenen Kinder zu schauen und sich sicher zu sein, dass wir ihnen eine lebenswerte Welt übergeben? Oder vielleicht doch nicht zu oft darüber nachdenken? Der Druck ist jedenfalls auch an dem ganz handfesten Streit darum zu erkennen, wer denn eigentlich mitsprechen darf, wenn es um unsere Zukunft geht. In den USA, ebenso aber auch viel näher in Polen, werden Frauenrechte ebenso widerrufen wie die Rechte von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und zahlreicher weiterer Gruppen. Als wäre das Recht auf Teilhabe immer nur auf Zeit verliehen. Natürlich von denen, die immer Teilhabe für sich in Anspruch nehmen können. Was also hilft? Trotz allem: Reden. Dialog. Also ran. Zu Gast: Heike Specht, Historikerin, Autorin, Buch: Die Ersten ihrer Art
#149 Tadzio Müller – Reset: Die Klimabewegung der Zukunft
Apr 6 2023
#149 Tadzio Müller – Reset: Die Klimabewegung der Zukunft
Nur Rituale gemeinsamen Trauerns können uns handlungsfähig machen. Warum die Klimabewegung in der Verdrängungsgesellschaft scheitern muss.Tadzio Müller ist einer der Strategen der Klimabewegung und seit mehreren Jahrzehnten in sozialen Bewegungen aktiv, als Gründer, als Analyst, als Aktivist. Er sagt: Die Klimabewegung wird scheitern. So, wie sie heute aufgestellt ist, von FFF bis zur Letzten Generation, zielt sie auf eine rationale Diskussion. Unsere Gesellschaft ist aber nicht rational - und ihr Umgang mit der Klimakrise erst recht nicht. Der Einsatz für eine positive Zukunft angesichts der Klimakrise braucht daher andere Mittel, zuallererst Rituale gemeinsamen Trauerns. Tadzio Müller analysiert die bisherigen Strategien der Klimabewegung und ihre Wirkung auf Gesellschaft und Politik. Seine Argumentation ist diese: • Wir leben in einer Externalisierungsgesellschaft. Prägendes Merkmal unserer Rolle in der Klimakrise ist: Wir leben nicht über unsere Verhältnisse, sondern über die Verhältnisse anderer. Die Struktur unseres Handelns ist nicht „Nach uns die Sintflut“, vielmehr „Neben uns die Sintflut“. • Wir wissen um diesen Mechanismus. Die Fakten zur Klimakrise sind allesamt öffentlich und wir dürfen voraussetzen: Auch breit bekannt. • Wir wissen, dass wir von vielen liebgewordenen Elementen unseres Lebens werden Abschied nehmen müssen. Es fällt uns allerdings offensichtlich schwer, an unserem Verhalten etwas zu ändern. Die Gründe dafür sind vielfältig, reichen von Privilegien über Werte zu geübten Verhaltensweisen. Die Folge ist ein psychologischer Effekt, den wir immer wieder beobachten können: Werden wir von außen auf unser unangemessenes Verhalten hingewiesen, reagieren wir mit Schuld und Scham. Der psychologische Überbau der Externalisierungsgesellschaft ist die Verdrängungsgesellschaft. • Dies erklärt, warum alle Appelle an eine Veränderung von Verhalten scheitern und warum stets neue Informationen zur Dramatik der Klimaveränderungen nicht zu verändertem Verhalten führen. Es erklärt auch, warum das gemeinsame Element nahezu aller Sparten der Klimabewegung ins Leere läuft. Sie alle zielen darauf, die Kosten zu erhöhen: die politischen, wirtschaftlichen, persönlichen Kosten. Die Antwort ist nicht die rationale Verhaltensänderung, um die Kosten wieder zu senken, sondern: Verdrängung. • Ein verdrängendes Subjekt hat keinen Punkt, an dem es durch erhöhte Kosten zu einer Verhaltensveränderung gebracht werden kann. Darum muss die bisherige Klimabewegung scheitern. • Eine erfolgreichere Klimabewegung setzt bei den Gefühlen von Schuld und Scham an. Anstatt Verhalten (Schuld) oder Identitäten (Scham) abzuwerten und handelnde Subjekte in Frage zu stellen, muss sie Raum für Abschied bieten und zugleich Raum für die Anerkenntnis bieten, dass wir gute Menschen sind. Da 83 Mio. Menschen in Deutschland nicht gleichzeitig in Therapie gehen können, liegt der Ansatzpunkt bei den großen und vertrauenswürdigen Institutionen. Ihre Rolle muss es sein, Rituale des Trauern zu entwickeln und den Abschied von fossilen Lebensweisen zu orchestrieren. Rituale, die es der Gesellschaft zu ermöglichen, mit sich selbst in einen Dialog darüber zu treten, wie wir künftig leben wollen. Was wir brauchen, ist ein kollektiver Trauerprozess, denn wir werden weniger haben und müssen uns von der historische Ausnahmevorstellung lösen, dass wir immer mehr haben können. • Der künftige Klimadiskurs wird davon handeln: Bin ich ein guter Mensch oder nicht?• Auf diese Weise werden auch Mehrheiten entstehen, die es der Politik ermöglichen, Regelungen und Gesetze zu entwickeln, die zu einem wirksamen Klimaschutz führen und die der Dimension der Klimakrise strukturell angemessen sind. Hierin liegt die Rolle sozialer Bewegungen: Den Raum des Möglichen zu erweitern und zu verschieben.Zu
#148 Timm Duffner - Radikal soziales Müsli
Mar 30 2023
#148 Timm Duffner - Radikal soziales Müsli
Wer gibt Menschen mit Suchtgeschichte, Ex-Knackis, Alleinerziehenden und Menschen mit Migrationshintergrund schon eine Chance auf Arbeit? Die hässliche Wahrheit ist: Wer mehr als ein solches „Vermittlungshemmnis“ hat, bleibt in aller Regel überall draußen. Überall? Nein! In Lüneburg steht eine Müslirösterei, die extra gegründet ist, um Menschen eine Chance zu geben. Timm Duffner ist einer der Gründer von HEYHO. Er sagt: Wir stellen keine Menschen ein, um Hafer zu rösten, wir rösten Hafer, um Menschen einzustellen.  Timm hat eine Karriere im Lebensmittelmarkt hinter sich, war Deutschlandchef von Ben & Jerry’s. Hier liegt eine Wurzel von HEYHO. Über das Eis kannte er die Greyston Bäckerei, die Ben & Jerry’s mit Brownies beliefert. Die Bäckerei ist berühmt für ihre Open Hiring-Policy: Jede Person, die einen Job will, bekommt eine Chance zu arbeiten. Es gibt weder Hintergrunds- noch Vorabprüfungen. Wenn eine Stelle frei wird, bekommt sie die nächste Person auf der Warteliste, ohne dass Fragen gestellt werden. Die drei Gründer von HEYHO hatten – unabhängig voneinander – genau diese Geschichte im Kopf. Einmal diese Gemeinsamkeit realisiert, haben sie drei Tage später ihr Unternehmen gegründet. Mit dabei die Selbstverpflichtung: Mindestens ein Drittel der Belegschaft hat „multiple Vermittlungshemmnisse“. Inzwischen ist die Quote längst höher.  HEYHO ist ambitioniert. Nicht nur sollen sie die Integration vollbringen, an der fast alle sozialen und öffentlichen Angebote scheitern: Menschen wieder echte Teilhabe zu ermöglichen. Timm will mit HEYHO darüber hinaus einen Arbeitsplatz schaffen, der allen guttut. Für Menschen, die über Jahre lautstarke Standpauken als einzige Form des Feedbackgesprächs kennengelernt haben. Für Menschen, die zusehen mussten, wie der frisch unterzeichnete Arbeitsvertrag vor ihren Augen zerrissen wurde. Für Menschen, denen wir als Gesellschaft über Jahre und teils Jahrzehnte nachdrücklich vermittelt haben, dass sie nicht dazu gehören. Und wenn wir schon dabei sind, für alle anderen im Unternehmen auch.  Timm berichtet: Einzelne Mitarbeiter stehen täglich schon eine halbe Stunde vor Toresöffnung vor der Firma, weil sie sich auf ihre Arbeit freuen. Welches Unternehmen kann das bitte von sich behaupten? Bewerber kommen auch ohne langwierige Suche in Zeiten des Arbeitskräftemangels. Profitabel ist HEYHO ohnehin. Ist HEYHO damit ein Lernprojekt für funktionierende Teilhabe und auch Modell für eine zukunftsfähige Arbeit? Diskutieren wir es.  Gutes Müsli können sie jedenfalls auch.  Zu Gast: Timm Duffner, Gründer der sozialen Müslirösterei HEYHO
#147 Niklas Schörnig: Frieden ist kompliziert
Mar 23 2023
#147 Niklas Schörnig: Frieden ist kompliziert
Schon wieder über Krieg und Waffen reden? Muss ja. Vielleicht diesmal auch nach Frieden fragen? Guter Plan, wird gemacht. Niklas Schörnig ist zu Gast, Friedensforscher beim Peace Research Institute Frankfurt. Er leitet dort die Forschungsgruppe zu neuen Technologien, Ordnung und Stabilität. Aber Achtung: Frieden ist kompliziert. Wir haben letztlich keine Frage gefunden, die sich mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten ließe. Als ob wir das nicht geahnt hätten.Inzwischen dürften die Teletubbies die einzigen C-Promis sein, die noch kein Manifest für den Frieden unterschrieben haben und dafür mit Sendezeit in einer der großen Talkshows belohnt wurden. Versuchen wir also, nicht in Schlagzeilen zu vereinfachen, sondern Komplexität im Detail zu verstehen.Was sind gute Waffen? Der Friedensforscher antwortet: Eine Waffe, die freiwillig außer Betrieb genommen wird. Der Militärexperte hingegen: Eine Waffe, die funktioniert. Der Laie hatte diesen Aspekt - „Oh Wunder, sie funktioniert!“ - irgendwie vorausgesetzt und wundert sich.Der Trend zu autonomen Waffen, die selbst Entscheidungen treffen können, ist massiv. Er reicht von klassischen Waffensystemen an Land über Schiffe und Unterwasserfahrzeuge, um nur die offensichtlichsten zu nennen. Offen ist die Frage, wie diese Systeme ihre Entscheidungskompetenz nutzen dürfen. Wo die Bundeswehr der Maxime folgt, dass stets ein Mensch die letzte Entscheidung treffen muss, überlässt die US Navy den Abwehrraketen ihrer Schiffe die Entscheidung, ein anfliegendes Objekt abzuschießen.Wer nur auf neue Waffensysteme schaut, übersieht möglicherweise, dass Autonomie auch neue Einsatzformen bisheriger Waffen ermöglicht. Kampfflugzeuge zum Beispiel vertragen sehr viel extremere Manöver als ihre Piloten, so Niklas. Schon heutige Kampfflugzeuge sind in der Lage, Raketen schlicht abzuschütteln. Allerdings würde kein menschlicher Pilot die dafür nötigen Bewegungen überleben.Auch KI muss sich an das Völkerrecht halten. Ein Soldat darf einen anderen Soldaten angreifen, nicht den Zivilisten daneben. Gilt auch für die KI. Die Schwierigkeit: Wie beurteilen wir eine KI, die das nicht perfekt löst, aber zuverlässig besser als der menschliche Soldat daneben? Es ist kompliziert.Die eigentliche Dynamik, betont Niklas, entfalten intelligente Systeme jenseits klassischer Waffensteuerung. Indem größte Mengen von Daten und Informationen in Echtzeit und an Ort und Stelle ausgewertet werden können, führt ein Einsatz erheblich schneller zum nächsten. Wo früher lange Analysephasen nötig waren, sehen wir eine extreme Beschleunigung des Kriegs.Ist Frieden angesichts dieser Dynamik möglich? Niklas bricht eine Lanze für eine pragmatische Haltung: Lieber ein paar Schritte gehen und die Entwicklung in die friedliche Richtung treiben, als die konsequente, umfassende Gesamtlösung einfordern und an dieser Absolutheit scheitern.Zu Gast: Niklas Schörnig, Friedensforscher, Peace Research Institute Frankfurt.
#146 Louisa Schneider – Am Kipppunkt: Brennende Vögel und Markus Lanz
Mar 16 2023
#146 Louisa Schneider – Am Kipppunkt: Brennende Vögel und Markus Lanz
Eine Folge voller Bilder. Bilder der Klimakrise, genauer: Bilder von Kipppunkten. Sie markieren die Points of no Return der globalen Entwicklung. Einmal gefallen, sind sie nicht mehr umkehrbar. Wie ein Wasserglas an der Tischkante. Louisa Schneider ist Journalistin und bereist gemeinsam mit Greenpeace fünf der globalen Kipppunkte, um das Abstrakte endlich anschaulich zu machen.  Louisas stärkster Eindruck stammt aus dem brasilianischen Regenwald. Derzeit brennen wir pro Stunde die Fläche von 800 Fußballfeldern Wald ab. Im Rauch stehend realisiert sie: Da fliegen keine großen Funken, da fliehen Vögel, brennende Vögel. In gewisser Weise erlauben die Kipppunkte einen Blick in die Zukunft. Was hier schon sichtbar ist, wird auf dem Rest des Planeten folgen.  Auf die Reise nach Südamerika werden Reisen nach Alaska, Grönland, Australien und in den Senegal folgen. Das Auftauen der Permafrostböden, die Gletscherschmelze, das Korallensterben und das Ausbleiben des Monsunregens sind die entsprechenden Kipppunkte. Die Mechanik ist immer gleich: Mit der zunehmenden Erderhitzung erreichen wir einen Kipppunkt nach dem nächsten und jeder Kipppunkt, der fällt, beschleunigt die Erderhitzung weiter. So wirkt jeder der Kipppunkte global. Einer der Treiber für Louisa, die drastische Wirkung der Kipppunkte zu verdeutlichen. Abstrakte Gefahren verdrängen sich eben leichter als konkrete.  Die globale Dimension ist auch in der üblichen medialen Kommunikation eher unterbelichtet. Michael und Louisa diskutieren einen Ausschnitt aus dem Talk von Markus Lanz, in dem er eine Klimaaktivistin zum Optimismus auffordert. Schließlich habe sich die Menschheit immer wieder an veränderte Bedingungen anpassen können. Stimmt für die Vergangenheit, ist aber keine Antwort auf die Herausforderungen der Klimakrise. Also: Weitermachen, immer wieder die Auswirkungen der Klimakrise aufzeigen, so konkret wie möglich. Da sind sie wieder: Die Bilder.  Zu Gast: Louisa Schneider, Journalistin und Klimakommunikatorin
#145 Vanessa Cann – Traumjob KI-Dirigent
Mar 9 2023
#145 Vanessa Cann – Traumjob KI-Dirigent
Jetzt mal Butter bei die Fische. Wie oft am Tag denkst du „Diese Aufgabe könnte nun wirklich langsam mal eine KI übernehmen“? Seit Jahren wird angekündigt, die Roboter würden uns die Arbeit wegnehmen. Wo sind sie, wenn man sie mal braucht? Vanessa Cann wünscht sich mehrfach pro Tag eine KI für die ganzen lästigen Routinearbeiten im Büro. Sie ist Geschäftsführerin des KI Bundesverbands. Wenn irgendjemand weiß, wie es um Realität und Potenzial von KI in Deutschland steht, dann sie. Auch wenn ChatGPT immer noch die Schlagzeilen bestimmt: Die Musik spielt derzeit im Bereich der Industrie. Und das mit einer interessanten Lage. Einerseits können Systeme künstlicher Intelligenz Prozesse flexibel steuern, Maschinen beobachten und geringste Abweichungen so frühzeitig identifizieren, dass Wartungen nahezu immer geplant und so rechtzeitig stattfinden können, dass Ausfälle de facto ausfallen. Andererseits ist bislang nur rund ein Drittel der Unternehmen ganz praktisch mit KI befasst. Wer heute anfängt, kann immer noch zur erweiterten Spitzengruppe gehören. Und das im Jahr 2023. Natürlich: KI verändert die Arbeitswelt massiv. Und diese Entwicklung hat gerade erst angefangen. Damit entstehen völlig neue professionelle Anforderungen. Vanessa betont: Systeme von KI neigen dazu, sehr spezialisiert zu sein. In einem Produktionsprozess werden daher meist mehrere unabhängige Systeme installiert sein. Wer koordiniert das? Der KI-Dirigent. Spannendes neues Berufsfeld. Die größten Entwicklungsschritte erwartet Vanessa im Bereich „Sprache und KI“. ChatGPT lässt grüßen. Die Dynamik entsteht dabei durch die schiere Masse an Daten. War es vor wenigen Jahren noch die Kernaufgabe jeder neuen KI-Entwicklung, Datenmengen zu erzeugen, hat sich das Bild inzwischen gedreht. Heute bauen die großen KI-Unternehmen nicht mehr ihre eigenen Modelle von Grund auf neu auf. Sie nutzen vorhandene Modelle als Basis und entwickeln diese für ihre use cases weiter. Das ist günstiger und – das ist weit wichtiger – erheblich schneller. Zu Gast: Vanessa Cann, Geschäftsführerin des KI Bundesverbands e.V.
#144 Marina Lommel – Personalisierte Ernährung: Heißhunger auf Daten
Mar 2 2023
#144 Marina Lommel – Personalisierte Ernährung: Heißhunger auf Daten
Was essen wir morgen? 3D-gedrucktes Fleisch? Biomöhren? Marina Lommel, Gründerin von Foodpunk sagt: Vor allem werden wir genau das essen, was unserem Körper gerade gut tut. Individuell auf frisch erhobene Daten unseres Körpers abgestimmt. Marina ist Gründerin und CEO von Foodpunk und liefert heute schon individualisierte Rezepte und Ernährungspläne an ihre Community. Aber hilft uns der Heißhunger auf Daten? Warum überhaupt digitale Ernährungspläne? Wir könnten uns doch erst einmal auf Omas gute Ratschläge besinnen. Wenig Alkohol, viel Gemüse, wenig Fleisch usw. Marina sagt: Bitte machen! Allerdings werden wir mit diesen allgemein richtigen Ernährungsregeln maximal 80% dessen erreichen, was wir mit guter Ernährung bewirken können. Keine 100%. Und schon gar nicht mehr als 100%. Dahin kommen wir nur mit einer intelligenten Vernetzung und Auswertung von möglichst vielen Daten. Die reichen von Größe, Gewicht und Bewegung über Blutwerte, Hormone im Zyklus der Frau, Tiefschlaf perspektivisch bis hin zu Genetik und den zahlreichen Mikroorganismen, die unsere Darmflora bilden. So wird sich nach Marinas Einschätzung die personalisierte Ernährung der Zukunft entwickeln: Stand Heute: Algorithmen werten Basisdaten des Körpers und Bewegungsdaten aus und übersetzen sie in Ernährungsempfehlungen, um das Wohlbefinden zu steigern, Abnehmen zu erleichtern, Schlaf und Haut zu verbessern und Heißhungerattacken zu vermeiden. Mitte der 20er Jahre: Daten zur Schlafqualität werden automatisiert in Ernährungsempfehlungen übersetzt. Merke: Fehlende Tiefschlafphasen führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Heißhungeranfällen am Folgetag. Mit der entsprechend angepassten Ernährung lässt sich das verhindern.Um das Jahr 2030: Wir werden den Zusammenhang zwischen Genetik und Ernährung verstanden haben, dank der Fortschritte der sogenannten Nutrigenomik. Dann – erst dann! – werden Gendiäten sinnvoll möglich sein. Ebenso vielversprechend: Wir werden analysieren können, wie sich Mikrobiom – also die Darmflora – und Ernährung gegenseitig beeinflussen. Ein weiteres sehr wirkungsvolles Instrument zur Steuerung einer personalisierten Ernährung. Das Extra: Wir werden dann auch unsere Stimmen automatisiert auswerten können und daraus wesentliches über den Zustand unseres Körpers und seine Bedürfnisse lernen. Was Marina sich wünscht: Eine Art Multi-Sensor, der unter Haut platziert wird, laufend verschiedenste Körperdaten sammelt und digital an ihren Ernährungsalgorithmus weiterreicht. Zukunftsmusik? Noch ja. Zu Gast: Marina Lommel, Gründerin und CEO von Foodpunk
#143 Sara Weber – "Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?"
Feb 23 2023
#143 Sara Weber – "Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?"
Diese Art von Arbeit wollen wir nicht mehr. Wir haben gemerkt, dass es uns nicht gut geht mit dem alten Typ von Arbeit. Mehr noch: Die Zeit der industriell geprägten Arbeit ist im Grunde schon vorbei. Es wird Zeit, dass die Maschinen uns diese Arbeit abnehmen, endlich abnehmen. Wir haben Besseres zu tun. Sara Weber ist Autorin, befasst sich mit der Veränderung von Arbeit. Ihr Buch heißt: "Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?" Sie sagt: Es gibt aktuell keine wirklich gute Antwort auf die Frage, warum ich mich hier eigentlich kaputt arbeiten soll. Warum mache ich das alles? „Für die Miete“ reicht als Antwort nicht mehr. Was aber dann? Mit ihren Thesen spricht Sara vieles an, was auch unter der Überschrift „New Work“ diskutiert wird. New Work ist alles andere als neu, die Grundideen stammen aus den 70er Jahren - es ist aber immer ein Nischenthema geblieben. Und das hat die Pandemie verändert: Unfreiwillig hat die Pandemie dafür gesorgt, dass wir alle gleichzeitig gelernt haben: Es geht anders. Der Wandel der Arbeit ist eine Frage der kritischen Masse, sagt Sara. Sobald ausreichend Druck entsteht, wird das System nachgeben. Und der Druck wächst. Sehr viele Menschen würden gerne weniger arbeiten. 75% wollen die 4-Tage-Woche, 50% Teilzeit. Nicht nur junge Menschen, nicht nur Frauen. Das Bedürfnis zieht sich durch alle demographischen Gruppen. Was wir schaffen müssen, betont Sara, ist, von den individuellen Lösungen wegzukommen. Wie in der Klimakrise: Wer den Hebel immer nur beim einzelnen sucht, wird nichts verändern. Wer über ein „Du bist schuld, wenn du deine Arbeit nicht schaffst“ und „Wenn du überlastet bist, dann musst du dich besser organisieren“ und „Du hast dir diesen Job ausgesucht, dann darfst du dich nicht beschweren“ nicht hinauskommt, schreibt die alte Normalität der Arbeit immer weiter fort. Yoga und Resilienztraining helfen nicht, wenn es eigentlich große politische und wirtschaftliche Veränderungen braucht. Verraten wir mit dem Abschied vom alten Typus der Arbeit auch alte Werte? Sara kontert: Wir kennen alle diese Erwartungen: Nur wer mit Leidenschaft arbeitet, ist gut. Nur wenn du deinen Job liebst, dann bist du etwas wert. Und um das zu beweisen musst du die ganze Zeit arbeiten - und dabei lächeln. Dies sind doch keine alten Werte. Wir haben einen Wert unabhängig von unserer Produktivität - in Unternehmen, in Gesellschaft.  Wenn wir doch aber diese Form von Arbeit nicht mehr wollen: Warum hauen wir nicht auf den Tisch? Sara schätzt, dass wir dafür einfach zu müde und erschöpft sind. Dann sollen wir noch die Energie aufbringen, für etwas zu kämpfen, von dem wir nicht wissen, ob es Wirklichkeit wird? Zu viele Menschen haben gerade nicht die Energie, sich um einen Aufstand zu kümmern. Noch ist keine Bewegung gewachsen, die für eine andere Arbeit streitet, der man sich einfach anschließen könnte. Saras Erwartung ist: In drei bis fünf Jahren werden zwar noch nicht alle Menschen anders arbeiten. Die Debatte um andere Arbeit wird aber überall angekommen sein und wir werden zahlreiche neue Lösungen im Raum sehen. Eine Konsequenz: Wer sich als Personaler:in heute noch nicht konkret mit dem Wandel der Arbeit befasst hat: Jetzt wäre der Zeitpunkt. Zu Gast: Sara Weber, Autorin von Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?
#142 Marianne Kuhlmann – Der Witz an der Kreislaufwirtschaft
Feb 16 2023
#142 Marianne Kuhlmann – Der Witz an der Kreislaufwirtschaft
Müssen wir unsere Wirtschaft auf Kreislaufwirtschaft umstellen? Wahrscheinlich schon, allein um irgendeine Aussicht zu haben, unseren Wohlstand zu erhalten und gleichzeitig zumindest annähernd im Rahmen unserer planetaren Grenzen zu bleiben. Das ist aber nicht der Witz der Kreislaufwirtschaft. Können wir den Schritt zu einer Kreislaufwirtschaft nutzen, um nahezu alle Bälle von Produkten und industriellen Prozessen neu in die Luft zu werfen und neu zu entwickeln? Gewissermaßen als unverhoffte zweite Chance? Das ist der Witz der Kreislaufwirtschaft. Sagt Marianne Kuhlmann. Sie hat die Plattform „Circularity“ ins Leben gerufen, auf der Unternehmen unterschiedlichster Größe und Branche zusammenkommen, um gemeinsam zu lernen und neue Weisen des Wirtschaftens zu entwickeln. Viele Lösungen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft können von einzelnen Unternehmen mangels Größe gar nicht realisiert werden. Viele Stakeholder haben zugleich ein enormes Silowissen. In einer linearen Wirtschaft war das wunderbar; in der zirkulären Wirtschaft müssen wir Kooperation neu lernen. Der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ bleibt dabei unscharf. Zu sehr ist er, zumindest im Geltungsbereich des Grünen Punkts, mit Recycling verknüpft und wird darauf reduziert. Dass der Schritt zu einer Circularity Economy tatsächlich eine grundlegende Transformation von Organisation, Wertschöpfung, Kooperation und Produktion bedeutet, wird viel zu wenig mitgedacht, sagt Marianne. Wie das funktioniert, ist Gegenstand ihrer Forschung an der ETH Zürich.Ein wichtiger Schritt hin zu Kreisläufen: Denke bei jedem Produkt mit, wie es wieder in seine Bestandteile zerlegt werden kann. Und was sich nicht wieder trennen lässt, wird gar nicht erst verbunden. Das führt zum Beispiel im Bau zu völlig neuen Materialien und Bauweisen. Ideal wäre, so Marianne, wenn jeder Stakeholder Verantwortung für seine Materialien hätte, solange bis sie in einen neuen Kreislauf überführt sind. Dann würden wir Ressourcen nutzen und nicht verbrauchen. Dann würden wir nicht mehr von Müll sprechen - weil es keinen mehr gäbe. Zu Gast: Marianne Kuhlmann, Gründerin der Plattform "Circularity e.V."Mentioned in this episode:bioeconomy conference 2023Am 14. und 15. Juni findet die bioeconomy conference 2023 in Leuna statt. Warum Leuna? Weil genau hier, am Chemiestandort, die Zukunft der Bioeconomy realisiert wird: Der Umstieg von fossilen auf biobasierte Rohstoffe. Das Motto der Konferenz lautet: "Deliver circularity now!". Alle Informationen und Tickets unter www.bioeconomy-conference.eu. Wir gestalten die Konferenz mit, Michael Carl wird sie moderieren. Wir sehen uns dort!
#141 Marc Raschke - Wenn Männer ihren Posten für Frauen räumen
Feb 9 2023
#141 Marc Raschke - Wenn Männer ihren Posten für Frauen räumen
Der Klassiker: Zwei kompetente Menschen, einer männlich, eine weiblich. In der Praxis heißt das meist: Er ist der Chef und sie seine Vize. Wie gut das für ihn ist und wie dankbar ihn das macht, betont er immer wieder, vor allem sonntags. Marc Raschke war genau dieser Mann. Und ist dann einen Schritt weiter gegangen, ist in die zweite Reihe zurückgetreten, hat die Spitze seiner Agentur „Blaulicht“ für seine Vize freigemacht. Ein recht nüchtern gehaltener Post dazu bei LinkedIn geht viral. Ganz offenbar trifft er einen Nerv. Ein Gespräch über Männer und Frauen im professionellen Leben. Ein Gespräch zwischen zwei (alten weißen) Männern - zu diesem Thema eine eigentlich unmögliche Konstellation. Eigentlich, denn hier soll es um die Rolle der Männer gehen.Der Post von Marc hat einen gewaltigen Berg an Reaktionen hervorgerufen. Das Spektrum reicht von den wenigen hämischen („Was ein Weichei, ich würde mich scheiden lassen“) bis zu den vielen, die das Bild bestätigen: Diese Konstellation zwischen Mann und Frau ist alltäglich. Und sie ist in der Regel aussichtslos. Ob Decke oder Wand, die Barrieren sind aus Glas, sie sind stabil und wer von ihnen profitiert, sieht sie in der Regel nicht.Es kann sich doch jeder auf eine neue Stelle bewerben, oder nicht? Wer Karriere machen will, soll sich zeigen, seine Kompetenzen herausstellen, mutig sein, oder? Die Sprüche sind vertraut. Und am Ende stellt Thomas einen Thomas ein und Christian einen Christian. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, so Marc, müssen wir nicht an die Frauen appellieren, sondern das System hinterfragen. Wir wissen längst, dass Frauen selbst bei höchster eigener Kompetenz dazu neigen, auf andere zu verweisen. Männer hingegen nehmen Herausforderungen schon bei geringster eigener Kompetenzvermutung an. Oder kurz: Männer sagen schneller ja. Wer das den Frauen in die Schuhe schiebt, wird immer die geringer qualifizierten Männer in der Führung haben. Was für ein Verlust. Marc sagt: Dies zu durchbrechen, ist gerade auch männliche Verantwortung, sind es doch viel häufiger die Männer, die tatsächlich etwas ändern können.Marc nimmt seinen Schritt vor allem als Schritt zu mehr Freiheit wahr. Die überraschende Erkenntnis: Auch in der zweiten Reihe lässt sich hervorragend arbeiten. Und wer sein Lebensglück einzig daran bemisst, wie groß das Schild an der Tür ist oder wie nah der persönliche Firmenparkplatz am Haupteingang ist, der (ja: der!) sollte möglicherweise eher über seine Maßstäbe für Erfolg nachdenken. Die Transformation der Arbeitswelt, die sich gerade anschickt, nahezu alle Bereiche des professionellen Lebens von Grund auf neu zu sortieren, macht vor den althergebrachten Vorstellungen von Karriere ohnehin keinen Halt.Zu Gast in der Zukunft:Marc Raschke, Agentur Gründer und Influencer
#140 Frank Sauer: Neue Waffen, neue Kriege?
Feb 2 2023
#140 Frank Sauer: Neue Waffen, neue Kriege?
Wer will schon über Waffen reden? Wir wollen, dass die Waffen schweigen. Überall. Die russischen Waffen in der Ukraine und auch alle anderen. Da wir aber Grund zu der Annahme haben, dass der russische Krieg in der Ukraine nicht der letzte auf diesem Planeten gewesen sein wird (und ja auch aktuell nicht der einzige ist), hier ein Podcast, der nach der Zukunft von Waffen fragt. Frank Sauer ist Senior Researcher an der Universität der Bundeswehr München und analysiert genau dieses: Die Waffen der Zukunft. Sind die Waffen der Zukunft auch die Waffen von gestern? Krieg ist asymmetrisch. Beginnt eine Seite den Kampf mit Panzern und Bodentruppen im Schlamm, bleibt der anderen Seite kaum etwas übrig, als sich eben dort zu verteidigen. So gesehen, sind Panzer zwar von vorgestern, aber eine Waffengattung mit Zukunft. Der sagenhafte technologische Vorsprung der Rüstungsindustrie gegenüber allen anderen Industrien ist, so Frank, Geschichte. Die Zeiten, in denen das Militär über Technologien verfügen konnte, die erst Jahre später als Spin off auch den zivilen Bereich erreichen, sind vorbei. Die Rüstungswirtschaft sucht inzwischen eher das Spin in, versucht also Technologien, die in anderen Industrien entwickelt werden, auch im militärischen Bereich zu integrieren. Das Spektrum reicht von Robotik über autonome Systeme bis hin zum weiten Feld der künstlichen Intelligenz. Dabei lohnt es aus Sicht des Militärs, so Frank, jedes Mal genau zu prüfen, ob eine Technologie tatsächlich militärisch tauglich ist - oder ob ein, zwei, drei Stufen weniger nicht geeigneter ist. Der autonome Roboter, die ständig ihren Standort funkt, ist im Zweifel auch von anderen zu identifizieren als nur der Homebase. Das Hochtechnologiefahrzeug braucht im Zweifel genau dann ein Update, wenn man es überhaupt nicht gebrauchen kann.Wer erdenkt sich eigentlich neue Waffen? Bei allem nötigen Respekt: Das Beschaffungsamt der Bundeswehr wird es nicht sein. Die großen Konzerne tun sich qua Größe auch oft schwer, wirklich Neues zu entwickeln. Startups werden auch im militärischen Sektor immer wichtiger, scheitern aber dann an der Massenproduktion. Wird Hollywood am Ende zur Inspirationsquelle? Frank beschreibt, wie die Waffen der Zukunft nicht immer auch auf neuer Technologie fußen müssen. Was Panzern heute gefährlich wird, sind handelsübliche Drohnen aus dem Elektronikmarkt, umgerüstet zur fliegenden Bombe auf Kamikazekurs. Low tech.Müssen Waffen der Zukunft stets aussehen wie Waffen? Gegnerische Infrastruktur durch Beschuss zerstören zu wollend ist doch vor allem eines: Furchtbar ineffizient. Frank analysiert: Das tatsächliche Ausmaß des russischen Cyberwars gegen die Ukraine ist bislang nicht hinreichend bekannt. Analysen folgen. Dann auch hier.Diese Woche zu Gast in der Zukunft: Dr. phil. habil. Frank Sauer, Politikwissenschaftler, Co-Host @Sicherheitspod, Head of Research @metis_institut, Senior Researcher @unibw_mTwitter: @drfranksauer
#139 Elisa Czerski – Roboter machen nichts als Arbeit
Jan 26 2023
#139 Elisa Czerski – Roboter machen nichts als Arbeit
Noch in diesem Jahrzehnt werden Roboter in der Produktion rund die Hälfte der heute Beschäftigten beschäftigungslos machen. Sagt Elisa Czerski, die mit ihrem Startup „N Robotics“ eben diese Roboter in Berlin produziert. Eine Entwicklung, die Herausforderungen mit sich bringt: Sollen wir das heute schon in Unternehmen kommunizieren? Das nehmen die Menschen ernst, schürt aber möglicherweise auch Angst. Sollen wir Menschen auch dort weiter beschäftigen, wo Maschinen die Aufgaben besser und günstiger erledigen könnten? Dann haben sie weiter Lohn und Brot, aber vermitteln wir ihnen damit nicht, letztlich nicht mehr als nur eine sehr billige Maschine in Menschengestalt zu sein? Das wäre womöglich kein sehr positives Menschenbild, für das es sich zu streiten lohnt. Und wer schafft es, sich beruflich immer wieder neu zu erfinden?Was ist ein Roboter? Mechanische Teile, kann heben, tragen, rennen. Sensorische Teile, hat Augen, Ohren, sonstige Sinnesorgane und Rechenkapazität. Eine gewisse Intelligenz. Musk sagt über den Tesla-Bot: Die Mechanik ist das schwierigste. Insbesondere die Aktuaren, also die kombinierten Motor-Getriebe-Steuerungseinheiten. Elisas Einschätzung: Die größten Entwicklungsschritte in den kommenden Jahren werden wir bei der Rechenleistung der Maschinen sehen. In Einzeldisziplinen sind Roboter uns Menschen längst überlegen. Die eierlegende Wollmilchsau insgesamt gibt es noch nicht. Je nach Definition des Menschen werden wir diesen Punkt vielleicht auch gar nicht erreichen. ChatGPT zeigt aber, mit welchem Tempo sich die Entwicklung vollzieht. Elisa berichtet von der Enttäuschung ihrer Marketing-Mitarbeiterin. Die wollte einen Workshop machen, um besser schreiben zu lernen. Inzwischen weiß sie: ChatGPT kann das bereits übernehmen, sie muss es nicht mehr lernen. Treffen wir uns dann mit den Maschinen auf Augenhöhe? Elisa widerspricht. Jedenfalls aber haben Menschen offensichtlich keine Schwierigkeiten mit der Fiktion, uns stehe ein echter Akteur gegenüber, mit dem wir sprechen können, der in uns Emotionen weckt. Die gute Nachricht der Robotik: Wenn Roboter uns die lästige Arbeit abnehmen, könne wir uns - endlich - wichtigeren Dingen zuwenden. Das wird nur gehen, wenn wir diesen Wandel auch gesellschaftlich begleiten, Themen wie Wohlstand, Geld, Vergütung anders regeln und die Verknüpfung von Zeit und Geld bei der Arbeit lösen. Aber: Wir haben doch tatsächlich wichtigeres zu tun als an der Produktionsstraße Schrauben zu drehen. Die Verweise aus der Folge: Der Film „her“ mit Joaquin Phoenix und einer KI der Stimme von Scarlett Johansson, die schwedische Serie mit humanoiden Haushaltrobotern heißt „Humans“, der erwähnte Philosoph heißt Christian Uhle und sein Buch trägt den Titel „Wozu das alles?“Diese Woche zu Gast in der Zukunft: Elisa Czerski, Philosophin und Gründerin des Startups